Ich zog in diesen Krieg mit einer Portion Euphorie, Euphorie, die uns ins menschliche Leid und den Tod führt. Ich zog in diese Weite der Abscheulichkeiten, die der Krieg uns im Überfluss beschert.
Ich heiße Francis Nicolas Bousquier, im Osten Frankreichs geboren. Ich machte meine ersten Schritte als aktiver Soldat im Bauch dieses Monsters als Leutnant der Französischen Armee und ich entkam ihm mit gebrochener Seele und dem Rang eines Majors.
Und nun, ein Jahr später, finde ich mich in den unendlichen, kalten und weißen Weiten Russlands wieder. Ich bin wieder Soldat. Ihr werdet mich sicher nicht verstehen. Nach all diesen Kriegsjahren! Ich bin Major der neuen russischen Armee. Ein roter Stern. Ein neuer Stern, der eine andere Welt ankündigt. Und der dann, leider, auf einen blutigen Tag blickt. Es ist immer so. Ich weiß es.
In den folgenden Monaten lernte ich meinen späteren Freund und Kameraden, Major Feodor Oulianov, kennen. Wir waren Seelenverwandte. Wir ähnelten uns enorm. Wir waren wie Brüder.
Unser gegenseitiges Vertrauen ließ Geheimnisse verschwinden.
Feodor war, wie ich, stolz darauf, die Geburt einer neuen Gesellschaft, einer neuen Welt zu begleiten. Vor allem aber war er eines: Verrückt vor Liebe. Während der wenigen Pausen besuchte er die Frau, die er liebte. Er schrieb ihr lange Briefe. Er war verrückt. Verrückt vor Liebe. Er war reine Leidenschaft.
Wir wollten Soldaten bleiben, niemals Henker werden. Aber die politischen Chefs machten Druck. Würde diese Revolution auch ihre eigenen Kinder fressen?
Feodor Wladimir, mein Freund, schien mir immer eifriger. Und er sorgte dafür, dass unsere Wege sich immer seltener kreuzten. Und wenn wir uns doch mal begegneten fragte er mich mit kalter Stimme, ob ich große Erfolge für die Sache verzeichnen könne. Was war passiert? Das war nicht der Feodor Wladimir, den ich kannte.
Einige Tage vor Ende März. Er stand dort, allein, auf einer Lichtung. Er sagte zu mir mit dieser falsch fröhlichen Stimme:
„Wodka, Zigarette, Francis, mein Freund!“ Anstatt einer Antwort umarmte ich ihn. Und wir weinten beide. Unsere heißen Tränen tränkten die Krägen unserer schweren Mäntel.
Eine Weile saßen wir rauchend und trinkend nebeneinander auf Holzkisten und schwiegen. Dann reichte Oulianov mir einen Brief. Ein Brief der Frau, die er so sehr liebte. Die Lektüre brach mir das Herz. Es war ein grausames Ende, unverständlich. Für meinen Freund brach mir das Herz. Und es folgte nur Schweigen.
Feodor versuchte zu vergessen. Er zog ins Feld mit einer Härte, die ich von ihm nicht kannte. Kurz nach dem orthodoxen Osterfest, fiel Feodor in der Schlacht. An der Spitze seiner Kompanie. Eine Salve mitten ins Herz.
So starb Feodor Wladimir Oulianov. Sein Herz war bereits gebrochen, zerrissen, ermordet. Kurz darauf ging ich zurück nach Frankreich. Die Revolution frisst ihre Kinder.
Andere Monster wurden geboren. Ein neuer Krieg begann. Der Mensch ist ein Monster. Der Mensch ist ein widernatürliches Tier!
Gleichwohl glaube ich, falls Gott existiert wird er uns verzeihen. Ich denke oft an meinen Freund Feodor Wladimir Oulianov. Und all die Tränen im Ozean seiner Augen überschwemmen mein Herz.
Feodor Wladimir Oulianov, Major der Roten Armee fiel in der Schlacht an einem Apriltag im Jahr 1920. Am 18. April 1920.
Eine feindliche Salve in ein Herz, das bereits ausgerissen war. Gott nehme ihn in seine Arme. Falls er wirklich existiert.