Mots pliés et dépliés

Am See

Jan 2017

Am tiefgefrorenen See stehe ich.
Stramm stehe ich da. Strammer geht es gar nicht.
Mit kalten gestiefelten Füßen, eingepflanzt in verkrustetem Schnee.
Ich kann weder vorwärts noch rückwärts.

Am Strand des tiefgefrorenen Sees stehe ich.
Am Strand der zerschlagenen Träume, der ausgeweideten Sehnsüchte stehe ich.
Meine Seele schwimmt, dort und da und nirgendshin. Sie spricht mit mir. Sie schwimmt zu mir. Sie singt mit mir.
Auf meinen Lippen vagabundieren Worte, ein süßes Lied...
„Laub, Laub, goldenes Laub in deinem Haar. Honig, milder Honig auf deinen blassroten Lippen...“

Der Winter ist ein strenger Vater.
Er schreit wie ein furchtbarer Hauptmann. Seine Stimme, seine Worte durchdringen meinen Körper wie Stiche und Schläge.
Die Uhr in meiner Brust läuft leise vor sich hin – doch ohne mich.

Rostrotes Laub liegt im Hof. Vor meiner Tür, liegt es da, nass und moderig.
Der wild gewordene Wind klopft unentwegt an meine Fenster und singt etliche spöttische Lieder über mich.
Ich habe alle Läden geschlossen. Der trotzige Wind aber schreit und singt. Und trägt, voller böser Absicht, die leichten sommerlichen Lieder der Nachtigallen zu mir hin.
Der ungewisse Frühling ist doch noch so weit von hier. Launiger lausiger Freund! Verräter!

Endlose frostweiße Seen reihen sich vor mir. Eine erbarmungslose knochenweiße Armee.
Der Winter ist ein strenger Vater, ein furchtbarer Hauptmann.
Ich fühle mich so schwer wie nasser Schnee. Das schwache blasse Sonnenlicht küsst mein tränenbenetztes Gesicht; und ich denke ein letztes Mal an dich.
„Laub, Laub, goldenes Laub in deinem Haar. Honig, milder Honig auf deinen blassroten Lippen. Deine lachenden Augen...“

Überarbeitet von Lea Bougardier